Warum eine Dolmetscher*in zu Gesprächen dazu holen?

Autor*innen: Dr. Phil Jochen Kramer, Leyla Jagiella & M. Barzawi 

Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, aber als Zweitsprache, fragen sich vielleicht: warum sollte ich eine Übersetzer*in zu einem Gespräch dazu holen? Wir empfehlen das, weil sie in Therapie und Beratung, in Interviews beim BAMF und vielen anderen Situationen ganz wichtige und verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen!

Es geht nämlich darum, die Bedeutung des Gesagten von einer Sprache in eine andere rüberzubringen. Dabei ist es oft erforderlich, auch kulturelle Aspekte zu berücksichtigen, zum Beispiel um zu erkennen, welche Wertungen geäußert werden. Gleichzeitig soll möglichst wortgetreu übersetzt werden, ohne dass die Person, die übersetzt, eigene Interpretationen einbringt. Wir finden für diese Rolle den Begriff "Sprachmittler*in" sehr passend und nutzen ihn im folgenden. (Andere Bezeichnungen von Menschen, die übersetzten sind z.B. Übersetzer*innen, Dolmetscher*innen, Kulturmittler*innen.)

In manchen Situationen kann ein Mensch, dem man vertraut, diese Sprachmittlung gut ausfüllen. Zum Beispiel eine Freund*in oder ein Familienangehörige*r. In anderen Situatonen ist es aber wichtig, geschulte und professionelle Sprachmittler*inen zu haben:

In Therapie und Beratung kann es wichtig sein, in der eigenen Muttersprache reden zu können, um Gefühle und Wünsche gut ausdrücken zu können.  Sprachmittler*innen, die für Therapie- und Beratungssituationen ausgebildet wurden, haben gelernt, auch mit belastenden Themen gut umzugehen. Außerdem steht man mit ihnen nicht in einer engen persönlichen Beziehung. Deshalb sind geschulte Sprachmittler*innen wichtig, um freier und unbefangener Reden zu können. 

Das Gleiche gilt auch vor Gericht oder für geflüchtete Menschen in Interviews beim BAMF, wo es erforderlich ist, belastende Erfahrungen detailiert zu berichten.

Wie kann man jemanden finden, die*der übersetzt?

Bei Psychotherapie und Beratung hängt das davon ab, wo sie stattfinden:

  • Psychosoziale Zentren haben eigene Pools an Sprachmittler*innen. Fragen Sie die Therapeut*in danach.
  • Ambulante Therapie bei einer Psychotherapeut*in: hier ist es meist erforderlich, sich selbst  eine Person zu suchen, die übersetzen kann. Bei der Suche helfen können die Fachkräfte in den Unterkünften, Sozialarbeiter*innen oder Organisationen, die Geflüchtete/Migrant*innen unterstützten.
  • in Beratungszentren gibt es teilweise Pools von Sprachmittler*innen, teilweise nicht. Fragen Sie die Berater*in danach.
  • Beratungszentren, die speziell LSBTIQ* Geflüchtete oder Migrant*innen unterstützen, haben oft eigene Pools von Sprachmittler*innen.
  • Für das BAMF-Interview gilt:  Das BAMF hat einen eigenen Pool an geschulten Sprachmittler*innen. Sie können darum bitten eine Sprachmittler*in zu erhalten, die sensibel ist für LSBTIQ* Themen. Es ist jedoch nicht gesagt, dass so eine Sprachmittler*in zur Verfügung steht. Es ist auch möglich, eigene Sprachmittler*innen zum BAMF-Interview mitzubringen. Diese müssen aber vor dem Interview-Termin registriert werden.

Kann ich der Sprachmittler*in vertrauen?

Es ist wichtig, dass Sie der Sprachmittler*in vertrauen können, gerade auch um offen und frei über die LSBTIQ* Themen sprechen zu können, die Ihnen wichtig sind. Um sicher zu gehen, dass ein*e Sprachmittler*in sensibel und angemessen über Themen wie die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in beiden Sprachen sprechen kann und über ausreichend Wissen verfügt, kontaktieren Sie bei Bedarf LSBTIQ*- Institutionen, - Gruppen oder - spezifische Beratungsstellen, beispielsweise:

Tipps für die Gesprächsführung mit Sprachmittlung

Achten Sie darauf, direkt mit der Berater*in zu sprechen und nicht mit der* Sprachmittler*in. Die beratende Person ist verantwortlich für den Prozess und Ausgang der Beratung. Nebengespräche vor, während oder nach der Beratung mit den Sprachmittelnden sind nicht erwünscht oder sollten, falls sie stattfinden, für alle Beteiligten deutlich gemacht werden

Was kann ich tun, wenn ich von der Sprachmittler*in nicht respektiert oder diskriminiert werde?

Wenn Sie sich von der Sprachmittler*in nicht respektiert fühlen haben sie das Recht, den Termin zu unterbrechen und das zu sagen. Das gilt, wenn die Sprachmittler*in eine nicht respektvolle Sprache benutzt, und wenn sie durch ihre Körpersprache zeigt, dass sie nicht o.k. ist mit dem, was Sie sagen.

Wenn Sie sich nicht gut behandelt fühlen, weil Sie LSBTIQ* sind, dann können Sie unterstützung von LSBTIQ*-Organisationen erhalten.

Wenn Sie geflüchtet sind und im BAMF-Interview das Gefühl haben, dass die Übersetzung nicht respektvoll ist oder nicht das wiedergibt, was Sie gesagt haben, dann weisen Sie unbedingt gleich darauf hin. Lassen Sie die Übersetzung des ganzen Interview am Ende in Ihre Sprache zurück übersetzen, und prüfen Sie, ob alles so wiedergebeben wurde, wie Sie es gesagt haben.

Weiterführende Tipps für Beratungsgespräche mit Sprachmittlung finden Sie in unserer Handreichung für Psychosoziale Fachkräfte, Spachmittler*innen sowie Beratungsnehmende.

Letzte Aktualisierung: 24.06.2021

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